Simone de Beauvoir, „Die Unzertrennlichen“

Ich fuhr mir mit einer Puderquaste übers Gesicht, bürstete meine kunstlos geschnittenen Haare und ging zurück in den Salon. Die Jugend tanzte unter den gerührten Blicken der älteren Damen. Das war keine Augenweide.


Der Taft und Satin in zu grellen oder zu süßlichen Farben, die U-Boot-Ausschnitte, der unvorteilhafte Faltenwurf ließen diese jungen Christinnen, die allzu geschult darin waren, ihren Körper zu vergessen, noch unansehnlicher wirken. Nur Andrée bot einen angenehmen Anblick. Ihr Haar schimmerte, ihre Nägel glänzten, sie trug ein hübsches dunkelblaues Foulardkleid und elegante Schuhe; doch sie sah müde aus, trotz der rosigen Wangen, die sie sich angemalt hatte.
«Wie trostlos das ist!», sagte ich zu Pascal.
«Was denn!»
«Das alles hier!»
«Aber nicht doch», sagte er fröhlich.
Pascal teilte weder meine Strenge noch meine seltene Begeisterung; er sagte, man könne an jedem Menschen etwas Liebenswertes finden; deswegen mochte man ihn: Unter seinem aufmerksamen Blick fühlten sich alle liebenswürdig.
Er tanzte mit mir, und dann tanzte ich mit anderen; sie waren alle hässlich, ich hatte ihnen ebenso wenig zu sagen wie sie mir, es war heiß, ich langweilte mich. Ich ließ Andrée nicht aus den Augen; sie lächelte allen Tanzpartner gleichmäßig zu, grüßte die älteren Damen mit einem kleinen Knicks, der ihr für meinen Geschmack zu perfekt gelang: Ich mochte es nicht, sie ihre Rolle als junge Dame der Gesellschaft so mühelos erfüllen zu sehen.
(Simone de Beauvoir, „Die Unzertrennlichen“)

„… ich finde im Grunde, dass dieses Buch den Glutkern von de Beauvoirs feministischen Theorien enthält.“ (Katharina Döbler auf rbbKultur – hier nachzuhören)

„«Die Unzertrennlichen» ist ein rebellischer, kluger, sprachlich leichtfüssig erzählter Roman … und: Es ist das fehlende und eindrückliche Puzzleteil in der Emanzipationsbiografie von Simone de Beauvoir.“ (Nora Zukker im Tages-Anzeiger)

Simone de Beauvoir übersetzen?! Kurze ehrfürchtige Schockstarre. Dann die Überraschung: Ein „literarisches Schätzlein“ (Hamburger Abendblatt), allerdings nicht ohne Tücken. Scheinbar ganz schlicht, fast simpel, doch bei näherem Hinsehen  so raffiniert, präzise, poetisch, eindringlich. Zeitlos. Merci, Simone!

Hier geht es zu „Die Unzertrennlichen“ auf der Seite des Rowohlt Verlags.