Simone de Beauvoir, „Die Mandarins von Paris“
«Meinst du nicht, dass es ziemlich spät ist, dass wir sehr viel Punsch getrunken haben und morgen früh einen klareren Kopf haben werden?»
Morgen früh würden die Wände nicht mehr schwanken, Möbel und Nippes wären in schöner Ordnung, immer derselben Ordnung, meine Gedanken auch, und ich würde erneut von Tag zu Tag leben, ohne mich umzusehen, den Blick in angemessener Distanz nach vorn gerichtet, ich würde mich nicht mehr um diese winzigen Tumulte in meiner Seele kümmern. Ich war diese Hygiene leid. Ich betrachtete das Kissen in der Ofenecke, auf dem Diego immer gesessen hatte; er hatte gesagt: «Der Sieg der Nazis existiert in meinen Plänen nicht.» Und dann hatte man ihn erschossen.
«Der Kopf ist immer zu klar!», widersprach ich. «Der Krieg ist gewonnen, bitte, das ist eine klare Sache. Und doch fand ich, dass das heute Abend ein seltsames Fest war, mit all den Toten, die nicht dabei waren!»
(Simone de Beauvoir, „Die Mandarins von Paris“)
„Ein Buch, das auch 70 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung durch die Glaubwürdigkeit der Figuren, seine erzählerische Kraft und die Brillanz der Analyse besticht! Nicht zuletzt die subtilen Übersetzungsarbeiten von Amelie Thoma und Claudia Marquardt lassen das Buch nun auch auf Deutsch in seiner ganzen Größe erstrahlen.“ (Peter Henning, Saarländischer Rundfunk SR 2 Kulturradio)
„Es lohnt! Mich hat fasziniert, wie zeitgemäß sich die «Mandarins» anfühlen, auch dank der neuen Übersetzung. De Beauvoir erzählt über die Pariser Existenzialisten-Szene, von Umbruch und Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg, davon, wie die progressiven Kräfte, im Widerstand noch geeint, sich jetzt aufreiben, von Frauenrollen, Liebe, Sex – vom Leben!“ (Silvi Feist, Emotion)
„Zeitgeschichte einerseits – Leben, Liebe, Tod andererseits. Simone de Beauvoirs üppiger Roman umfasst den ganzen Kosmos gesellschaftlicher, intellektueller und individueller Existenz.“ (Dirk Fuhrig, WDR)
Bei ihrem Erscheinen 1954 wurde die Sprache der „Mandarins“ von der französischen Literaturkritik entweder als „schmucklos, nachlässig, vulgär“ beklagt oder als „klar, unmittelbar, ungekünstelt“ gelobt. Letztere Wirkung sollte der Text in Claudia Marquardts und meiner Neuübersetzung auch auf heutige Leserinnen und Leser haben, ohne dabei sein Zeitkolorit zu verlieren. Während der intensiven gemeinsamen Arbeit fühlten wir uns daher ein wenig wie Restauratorinnen eines alten Gemäldes, die behutsam dessen ursprüngliche Farben wieder freilegen. Seine Vielschichtigkeit, Lebendigkeit und Zeitlosigkeit hörte dabei nicht auf, uns zu überraschen und zu begeistern.
Unbedingt lesenwert ist auch das Nachwort von Nicole Seifert, dessen Kurzfassung sich auf ihrem ebenso lesenwerten Literatur-Blog Nacht und Tag findet.
Hier geht’s zu „Die Mandarins von Paris“ auf der Seite des Rowohlt Verlags.